Sprechen zu dürfen
von dir
mit denen
die dich kannten
dich liebten
Sprechen zu können
von dir
wie du warst
dich in Worten
wiedererleben
nur ein paar
Stunden lang
Und dann
einschlafen
vor dem nächsten
Alleinsein
das doch
unausweichlich
wartet
Gitta Deutsch
17. April, Gründonnerstag, der 6. Geburtstag meines Enkelchens.
Vormittags von uns nach Hamburg gefahren, 430 km, dann der Geburtstag mit Verwandten der Enkelmama, einigen Kindern, Freunden. Abends zurück, aus Hamburg raus bis zur Autobahn viel Verkehr, oft Stau, dann teilweise im Starkregen gefahren, viele LKWs, über 5 Stunden Fahrt.
Es gab bei der Feier eine kurze Sequenz von Gesprächen über den Tod des Opas einer Freundin meines ältesten Sohnes, dass sie ihn vermisst und wie seltsam es wäre, wenn sie ihre Eltern besucht und er nicht mehr da sei.
Es wäre liebevoll von mir gewesen, ihr zu sagen, dass es mir leid täte und ich sie gut verstehen kann, weiß, wie sich das anfühlt, jemanden zu vermissen und diese Traurigkeit zu spüren, die sich zwar verändert, doch nie aufhören würde.
Stattdessen sagte ich sinngemäß, dass sie sich dann vorstellen könnte, wie es sei, sein Kind zu verlieren oder wenn Menschen sagen würden „Du hast ja noch drei“.
Mein Sohn hat versucht mit einem anderen Thema diesen Dialog über den Tod zu unterbinden.
Ich habe mich sofort schlecht gefühlt und nachgespürt, ob in mir Bitternis sei, wenn ich so etwas ausspreche und mit einem derartigen Tonfall.
Mir wurde einige Tage später, bei einem 10-minütigen Wechsel-Lausch-Gespräch bewusst, dass hinter meinem Satz über den Tod das großes Bedürfnis steht, gerne von Leonie und auch dem Papa meines Ältesten zu sprechen. Wie sie ihn und sie sehen, fühlen, in Erinnerung haben, wie ich sie sehe, von ihnen träume und wie es ist, dass sie für mich in einer anderen Welt leben, und uns auf ganz unterschiedliche Weise begleiten, beschützen und unentwegt bei uns sind.
Es gibt immer wieder diese Situationen, in denen ich tief spüre und weiß, dass sie da sind und Anteil nehmen, an diesen Zusammenkünften, Feiern, Festen.
Auch bei der großen Oster-Familien-Freunde-Feier am Wald, wo meine zweite Enkelfamilie lebt, spürte ich den Verlust in unserer Familie schmerzhaft. Die vielen Kinder und Erwachsene die mit schönen Kleidern durch den Wald rannten, um bunte Eier und Geschenk-Körbchen zu suchen. Ein lustiges Treiben zwischen den Bäumen, den Sträuchern, ein Jauchzen mit all den Geschenken, und dann Schokoladenhasen und Schaumeier essen bis zum übelwerden.
Es sind immer wieder diese Anlässe, bei denen ich die Verstorbenen spüre, vorher und nachher von ihnen intensiv träume und es mir wichtig wäre, sie mit einzubeziehen, indem von ihnen erzählt wird, Erfahrungen, Erinnerungen ausgetauscht werden, so dass sie nicht totgeschwiegen werden.
Und sie sind definitiv unsere Schutzengel, einige von denen, die uns unentwegt behüten und beschützen.
Am 1. April, dem 36. Geburtstag unseres zweiten Sohnes, kam der Anruf unseres Jünsgten, ob Papa ihn abholen könne. Beim Einfahren der neuen Motorrad-Reifen kam es bei einem Überholmanöver zu einem Motorbruch, Öl lief aus, und die Reifen voller Öl schaffte er es ohne eine einzige Verletzung, das Motorrad zum stehen zu bringen.
Am Ostermontag, 20 Tage später, verunglückt sein bester Freund bei einer gemeinsamen Tour schwer. Das weckt alte Traumata und es ist eine schwere Bürde, es so hautnah erleben zu müssen.
Von Erich Fried stammt der Satz: „Jeder versuch, der Trauer zu entgehen oder sich zwangsläufig an eine Trauer vermeidende Umwelt anzupassen, ist zum Scheitern verurteilt.“
Es ist als Betroffene ein mühsamer Lernprozess, auf meine Trauer zu bestehen, sie zu leben, um der eigenen seelischen und körperlichen Gesundheit Willen.