Trauer hat mir mehr Tiefe gebracht

 

 

Traurigkeit hat mir Tiefe gebracht

 

Die Frage: „Wie geht’s Dir denn?“ von einer engen Verwandten bei einem Familientreffen hat mir erneut gezeigt, dass diese Frage ein verschlüsseltes „Ich will es eigentlich nicht wissen“ bedeutet.

Meine Rückfrage, auf welcher Ebene sie das meine und „Mach‘s nicht so kompliziert“ war dann ein gefühlter Stich, tief in den Solarplexus.

 

Nun, ich weiß, dass meine Sprache oft nicht kompatibel, also nicht denkgleich ist und sich komplett von jener der anderen Person unterscheidet. Vielleicht wäre das Wort „Bereich“ statt Ebene angebrachter gewesen?

 

Nach fünf Jahren Fehlen meiner Tochter, fragt selten jemand wie es um mich steht, oder mit was ich mich gerade beschäftige. Eventuell ist es das ahnen, dass es immer noch und immer wieder um Leonie geht, um Leonie und Simons Tod und meine Gefühle dazu, sie zu vermissen, meiner Trauer und Traurigkeit Raum und Zeit zu geben, ebenso meiner Liebe.

Meiner Liebe zu ihnen, und zu meinen lebenden Kindern, meinen Enkeln, meinem Mann, zum Leben an sich.

 

Mir bedeutet Leben viel, weil der Tod dem Leben ein anders Ausmaß an Fülle gibt. Eine weitere Bandbreite an Ereignissen, für die ich dankbar bin, an Erinnerungen, und dass es niemals mehr so sein kann, die Liebe, die keinerlei Begrenzungen kennt.

Weder zwischen dem Jetzt und dem Damals, noch von dem hier Irischen und dem dort Geistigen.

 

Die Zeitspanne, die in mir Liebe ist, ist definitiv präziser, intensiver, existentieller, tiefer, und nachhaltiger als noch vor dem Tod meiner Tochter.

 

In Zusammenkünften mit bekannten oder unbekannten Personen, wenn Gespräche auf einer unbedenklichen, oberflächlichen Weise ohne Tiefgang stattfinden, fühle ich mich fremd, gelangweilt, desinteressiert, einfältig, beschämt und einige andere Gefühlsbereiche betreffend. Oft denke ich dabei, dass ich das wirkliche Leben, das Gute, Tiefgründige, Schöne, Wahre und Wunderbare verpasse.

Natürlich frage ich mich dann, ob ich zu anspruchsvoll, arrogant, zu tiefschürfend und anstrengend, eben „kompliziert“ für andere bin.

Nicht mehr gesellschaftsfähig einfach und belanglos.

 

Hat das mit meinem Trauma, meiner Trauer zu tun oder ist es eine grundsätzliche Eigenart von mir, mich lieber über Tiefgreifendes mit Menschen auszutauschen?

Dann bete ich lieber, denn Gebete....

 

Gebete hüpfen auf Steinen,

fliegen über Berge,

umhüllen Felsen und versetzen sie.

Gebete springen über Flüsse,

schwimmen durch Seen und

tauchen in das tiefste Meer.

Gebete zischen durch Stürme,

tanzen im Regen und fangen den Schnee.

Gebete umarmen Bäume,

sind wie Pusteblumen und zeigen den Weg.