08. 12. 2021 "Könnte ich das ungeschehen machen...."

 

Öfter lese ich in Bezug auf den Tod den Satz: „Könnte ich das ungeschehen machen….(den Tod, Krankheit, Sterben). Oder „Wäre das nur nicht passiert…“

 

Ob ich doch irgendwann im Unterbewusstsein so etwas gedacht habe oder geträumt? Ich weiß es nicht. Zumindest ist mir dieses Denken nicht bewusst in den Sinn gekommen.

 

Wenn ich es lese, wie heute in einem Artikel, dann spüre ich tiefer in mich hinein, wo dieses Gefühl so eines Gedankens bei mir sein könnte, den Tod meiner Tochter und den Absturz, bei dem drei junge Menschen zusammen gestorben sind, ungeschehen machen zu wollen oder zu wünschen, dass es nie passiert wäre.

 

Mein Leben ist und bleibt jetzt ein Leben mit meiner Tochter im Jenseits. Sie ist hier und da und dort, wie meine drei erwachsenen Söhne, die ihr eigenes Leben haben. Sie ist nicht mehr da zum Sehen, Hören, Riechen, Umarmen und das ist und bleibt echt traurig. Das vermisse ich und werde ich vermissen.

 

Sie ist und bleibt allerdings ein Teil von unserer Familie, den Freundinnen, Freunden, vielleicht auch einigen nahen Menschen, die sie oft vermissen. Sie bleibt ein Teil von mir das ich in mir, um mich, über mir, neben und unter mir erfahre. Im Wind, im Wasser, im Atem, in den Sternen, jeder Feder, jedem Baum.

 

„Könnte ich das nur ungeschehen machen…“, puh, bin ich Gott? Dann könnte ich auch Tschernobyl ungeschehen machen, das Vergasen der Juden, die Verseuchung der Meere, in die täglich hunderte von Tonnen Müll und Schwermetalle verklappt werden. Dann könnte ich sogar ungeschehen machen, dass Menschen verhungern und Kälbchen von ihren Müttern getrennt werden.

 

Wenn ich den Tod meines Kindes ungeschehen machen könnte, dann würde ich garantiert auch das Krieg führen beenden und Gewalt, Machtmissbrauch, Rassismus und einsames Sterben in Heimen. Dann würde ich Müttern die ersten drei Jahre mit ihren Babys zu Hause mit viel Zeit zum kuscheln, wachsen und erforschen ermöglichen, ein angemessenes Gehalt für jede Familie, die sich der Kinderzeit lieber widmet als dem Job. Und ich würde Schulen ins Leben rufen, die die Kinder lieben werden, wegen ihrer angeborenen Wissbergierigkeit, und dass sie alles erfahren können, was fürs Leben wichtig ist, zum Beispiel liebevolle Kommunikation, Konflikte auf kreative Weise zu lösen, Wälder und Natur erkunden, wissen, wie sich Naturvölker ernähren, wie Wasser sauber bleibt und entspannt und wild Leben, damit man nichts bereut, wenn jemand plötzlich und unerwartet stirbt. Ich würde ermöglichen, dass jeder glücklich sterben kann und Hinterbliebene traurig und fröhlich sein dürfen, weinen und lachen können und viel erzählen oder gemeinsam dürfen, so lange sie das möchten.

 

Wenn ich den Tod ungeschehen machen könnte, wäre ich kein normaler Mensch, dann wäre das Leben hier auf diesem kleinen Planeten so langweilig, dass ich vielleicht lieber sterben wollte, um was Spannendes und Unbekanntes zu erleben. Ich weiß es nicht. Brauche ich auch nicht. Da ich weder den Tod meiner Leonie noch etwas anderes ungeschehen machen werde.